Sutphin Boulevard – Santino Hassell

Sutphin Boulevard – Santino Hassell

20 Jahre sind Michael Rodriguez und Nunzio Medici eng befreundet. Sie teilten die Höhen und Tiefen ihres Lebens und sie kennen sich in- und auswendig. Eine Freundschaft, die kaum zu beschädigen ist. Doch ihre Welt gerät ins Wanken. Nach einer gemeinsam verbrachten Nacht, beginnt sich die Dynamik zwischen ihnen zu verändern und als Michaels totkranker Vater plötzlich wieder auftaucht, bricht alles über Michael zusammen.

Obwohl ihn nichts mit seinem alten Herrn verbindet, fühlt Michael sich für ihn und den jüngeren Bruder Ray verantwortlich. Die destruktive, gewalttätige und homophobe Stimmung im Hause Rodriguez wird für Michael immer unerträglicher und auch seine Freundschaft mit Nino wird für Mikey schwierig. Bald gibt es nur noch einen Ausweg für Michael, der gemeinsam mit Nino an einer New Yorker Schule arbeitet. Und dieser Ausweg führt ihn direkt in eine unkontrollierbare Abwärtsspirale.

Sutphin Boulevard ist ein großartiges, intensives aber auch erschreckendes Buch. Santino Hassell hat eine extrem eindringliche Erzählweise und die Geschichte ist so furchtbar realitätsnah und bedrückend, dass sie bestimmt nicht für jeden geeignet ist. Michael hat es zwar geschafft und arbeitet als Lehrer, doch in Wahrheit ist er labil und beginnt nach dem Tod der Mutter schon zu straucheln. Bester Freund wird der Alkohol, in dem er Vergessen sucht. Kurzes Vergessen und Ruhe findet er auch bei Nunzio, doch Michael hat Angst um ihre Freundschaft. Und in dieser Angst sendet er widersprüchliche Signale aus; verletzt Nino und stösst ihn immer wieder von sich. Gleichzeitig scheint Nunzio aber der letzte Halt; die letzte Sehnsucht zu sein.

Michael, auf dem der Fokus deutlich liegt, ist ein sehr schwieriger und ambivalenter Charakter. Er ist sympathisch und man empfindet Verständnis und Mitleid für ihn. Doch auf der anderen Seite agiert er total kindisch, selbstsüchtig und irrational. Das ist natürlich seinen Ängsten und seiner Sucht geschuldet. Doch wirklich liebgewinnen kann man ihn nicht. Nino hingegen ist für mich der Fels in dieser Brandung. Sehr früh werden seinen Gefühle für den schwachen Michael klar und Nino ist wohl auch so ein Typ, der irgendwann mit ins Verderben geht.

Deswegen fand ich es auch so schade, dass der Autor nicht ein wenig mehr auf Nino eingegangen ist. Er wird immer wieder zurück gewiesen und artikuliert sich durch jähzornige Ausbrüche, doch er bekommt nur wenig Platz um intensiver beleuchtet zu werden.

Ergänzt wird die Geschichte noch von Ray, dem jüngeren Bruder Michaels, und David – ein Kollege an Ninos und Michaels Schule. Ray ist jünger und das verhätschelte Kind, das nichts auf die Reihe bekommen hat. Auch er ist schwach und willensschwach. Zudem noch ohne Job, ohne Perspektive und oft auch ohne Verstand. Doch er wächst über sich hinaus und will seinen Bruder mit allen Mitteln retten. Aber auch er muss – wie Nino – erkennen, dass nur Michael sich selbst retten kann.

Das Buch überzeugt durch einen gut durchdachten Plot, einer sehr realen und intensiven Erzählweise und einer aussergewöhnlich guten Übersetzung. Es gibt ein paar unglaublich erotische Momente zwischen Nino und Michael, die dann auch Einblick in Ninos Gefühlswelt geben. Doch für wirklich eingefleischte Romantiker, die es gerne cozy und leicht mögen, ist das Buch nicht wirklich geeignet.

Eine weitere Meinung zu diesem Buch gibt es der geschätzten Kollegin Laberladen nachzulesen.

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